Hat mein Date ADHS? Psychologin verrät typische Hinweise (2024)

Fragen der Liebe

Wer einen Menschen mit ADHS datet, sollte diese Eigenarten verstehen

Beim Dating können Menschen mit ADHS auf Unwissende wie ein Buch mit sieben Siegeln wirken. Das Interesse scheint da zu sein, aber dann herrscht tagelang Funkstille? Du hast das Gefühl er oder sie mag dich, aber dann kam ein brüsker Kommentar, der richtig wehtat? Diese Art der Irritation führt oft dazu, dass ein Flirt endet, bevor er überhaupt anfängt. Schade eigentlich.

Denn oft genug steckt dahinter ein schlichtes Missverständnis, wie eine Umfrage zeigt. Für einen aktuellen Report haben über 9000 Hinge-Nutzer:innen mit klinischer ADHS-Diagnose ihre Erfahrungen zum Thema Dating geteilt. Dabei zeigte sich: 82 Prozent kämpft auf der Suche nach Liebe mit sozialen Herausforderungen.

So fühlen sich drei von vier Befragten von ihren Matches missverstanden, weil sie anders kommunizieren als neurotypische Menschen. Sowohl in den Apps, als auch im Real Life. Lassen sich diese Stolpersteine beim Dating mit ADHS reduzieren?

Logan Ury glaubt schon. Die Verhaltenswissenschaftlerin hat Psychologie an der Harvard University studiert und erklärt in ihrer Funktion als Director of Relationship Science bei Hinge, wie das Flirten mit Neurodiversität einfacher wird.

Die erste Hürde beim Dating mit ADHS ist die Kommunikation auf dem Smartphone. Gerade bei wem parallel zur Dating-App hundert neue Fenster aufploppen, verliert oft den roten Faden der Unterhaltung.

Menschen mit ADHS fühlen sich leichter abgelenkt und überreizt, was zuweilen dazu führt, dass das Handy mitten in einem Chat beiseite gelegt wird. Beim Gegenüber kommt das nicht gut an.

Zügige Antworten im Chat sind für ADHS-Betroffene oft problematisch

Über ein Drittel, nämlich 32 Prozent, der befragten Diagnostizierten, fühlen sich missverstanden, wenn ihre Matches annehmen, sie wären aufgrund längerer Pausen zwischen den Antworten nicht interessiert. Manchmal brauchen sie nur ein wenig, um den Faden wieder aufzunehmen oder ihre Ungeduld steht ihnen im Weg.

Logan Ury rät ADHS-Patient:innen, das Problem offen anzugehen: "Sprich von Anfang an offen über deine Kommunikationsgewohnheiten. Das hilft, Missverständnisse zu vermeiden." Wie das genau aussehen kann?

Damit kann man einem Irritationsmoment schon vorgreifen und vermeiden als Ghoster:in dazustehen.

Zudem gilt es laut der Verhaltensforscherin, möglichst viele Barrieren abzubauen: "Wenn du feststellst, dass du auf einer Plattform schneller auf Nachrichten antwortest als auf einer anderen, könnt ihr Telefonnummern oder Social-Media-Profile austauschen und dort chatten, wo es dir am leichtesten fällt." Logisch.

Wer sicher gehen will, dass sich der Flirt nicht vernachlässigt fühlt, kann sich auch einen Reminder zum Antworten setzen, sagt die Expertin. Das klingt zwar unromantisch, aber es lohnt sich, denn "kurze Antwortzeiten werden oft mit Interesse gleichgesetzt", erklärt sie.

Verläuft der Chat immer noch holprig, spricht nichts dagegen, ein Gespräch am Telefon oder per Facetime vorzuschlagen. "Das hilft dir, lange Textphasen und Missverständnisse zu vermeiden", ist Ury sicher.

Dein Crush hat ADHS? Nachfragen räumt Missverständnisse aus

Doch nicht nur ADHS-Betroffene selbst können etwas dazu beitragen, dass der Flirt rund läuft. Auch wenn du selbst neurotypisch bist, hilft es, sich ein paar Dinge bewusst zu machen.

Wobei Ury zu Bedenken gibt, dass Datende nicht immer wissen, dass sie es gerade mit einem Menschen mit ADHS zu tun haben:

Sollte der Verdacht bestehen, hilft es wenigstens einmal nachzufragen, bevor man sich vorschnell beleidigt zurückzieht aufgrund sprunghaften Verhaltens, Unpünktlichkeit oder eines harschen Kommentars.

"Viele Menschen mit ADHS neigen dazu, direkt und ehrlich in ihrer Kommunikation zu sein", sagt die Psychologin. So schön völlig Ehrlichkeit auch ist – manchmal kann sie auch wehtun. "Bedenke, dass das wahrscheinlich mit aufrichtiger Absicht geschieht und nicht aus Gefühllosigkeit", tröstet Ury die Opfer etwas impulsiver Verbalattacken.

Und nennt auch noch die goldene Regel des Datings – nicht nur gegenüber neurodiversen Crushes: "Wenn du unsicher bist, wie du das Verhalten einer Person deuten sollst, frag einfach!"

Menschen mit ADHS-Diagnosen sind oft kein Fan von Small Talk bei Dates

Doch nicht nur die Form der Kommunikation, auch der Inhalt kann zum Stolperstein werden. Denn es ist laut der Umfrage um 31 Prozent wahrscheinlicher, dass Personen mit ADHS Small Talk nicht mögen. Viele von ihnen neigen dazu, von Beginn an tiefgründige Gespräche mit ihren Matches führen zu wollen.

Das bedeutet nicht unbedingt, dass es um harte Themen wie Tod und den Sinn des Lebens gehen muss, sondern eher, dass Unterhaltungen über Bücher, Hobbys oder Reisen abendfüllend ausdiskutiert werden können. Das kann total inspirierend sein. Oder unheimlich ermüdend.

Für Personen mit ADHS bedeutet das umso mehr: wenn du sehr gerne über deine Lieblingsthemen sprichst, dann suche dir am besten jemanden, den das interessiert. Die Psychologin rät, das direkt zu Beginn deutlich zu machen: "Wenn du zum Beispiel Tierliebhaber:in bist, erwähne das in deinem Profil, um gleichgesinnte Menschen anzuziehen."

Um aus dem Monologisieren herauszukommen, hilft es, sich schon vor einem Date eine "Liste mit Fragen" bereitzustellen, sagt die Expertin. "Die befragte Person kann in ihren Antworten viel von sich zeigen. Zudem haben Untersuchungen gezeigt, dass Neugierde dazu führt, dass andere uns mehr mögen."

Letztlich gilt, wie immer beim Dating: Missverständnisse entstehen nicht nur, weil jeder Mensch anders "funktioniert" als der nächste, sondern vor allem, weil nicht über diese Unterschiede gesprochen wird.

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